„Kooperation statt Konkurrenz“ Ein Gespräch mit Carolin Stüdemann von Viva con Agua

Carolin Stüdemann ist New Leadership-Expertin und passionierte Geschäftsführerin von Viva con Agua. Mit uns spricht sie über Sozialunternehmertum in stürmischen Zeiten.

Was beschäftigt dich aktuell am meisten in deiner Arbeit als Sozialunternehmerin?

Ich spüre eine zunehmende Polarisierung in unserer Gesellschaft, auch in der Kommunikation mit verschiedenen Zielgruppen. Ich erlebe den Diskurs als sehr aufgeheizt und nehme einen großen Bedarf wahr, sich abgrenzen zu wollen. Wie können wir in diesem Diskursklima besonders wirkungsvoll unsere Kernthemen kommunizieren? Menschen den Zugang zu saubrem Trinkwasser ermöglichen, zu Engagement inspirieren? Wir wollen nach wie vor die eher verbindenden Elemente immer wieder herausstellen. Gleichzeitig sehe ich einen starken wirtschaftlichen Fokus in der öffentlichen Debatte – es heißt oft „die Wirtschaft muss gestärkt werden“, während Themen wie soziale Gerechtigkeit oder Zugang zu sauberem Trinkwasser weniger Beachtung finden. Das macht es insgesamt schwieriger, Fördermittel zu sichern und langfristig zu planen.

 

Wie wirkt sich das konkret auf eure Organisation aus?

Finanzielle Unsicherheiten betreffen natürlich das ganze Team. Wenn wir keine Gehaltserhöhungen zahlen können, hat das Auswirkungen auf die Motivation. Gleichzeitig zwingt uns die Situation dazu, klarer zu priorisieren: Welche Projekte sind wirklich relevant? Was können wir uns leisten? Das führt zu mehr Eigenverantwortung im Team und einer stärkeren Wirkungs-Orientierung. Wir haben in den letzten Jahren in Sachen New Work viel ausprobiert und festgestellt, dass eine starke Entgrenzung von Arbeit und Privatleben nicht gesund ist. Die Herausforderung ist, eine Balance zu finden: Eigenverantwortung der Mitarbeitenden stärken, aber auch klare Strukturen bieten. Wir wollen Arbeitsmodelle entwickeln, die langfristig nachhaltig sind – für die Menschen und die Organisation. Das ist in Zeiten, wo der Druck von außen so hoch ist, aber natürlich besonders herausfordernd, weil wir selbst noch forschen und experimentieren.

 

Viele Sozialunternehmen stehen im Wettbewerb um knappe Fördermittel. Wie geht ihr damit um?

Wir setzen auf Kooperation statt Konkurrenz. Statt uns als Einzelkämpfer zu positionieren, sollten Sozialunternehmen verstärkt gemeinsam Förderanträge stellen und Synergien nutzen. Leider beobachte ich, dass große Organisationen oft den Großteil der Mittel erhalten, während kleinere Initiativen leer ausgehen. Wir müssen neue Wege finden, um die Verteilung gerechter zu gestalten.

 

Gibt es Fortbildungsbedarfe in eurem Team?

Absolut. Wir wünschen uns mehr praxisnahe Weiterbildungen – etwa zu KI-Integration, Projektmanagement oder Leadership. Besonders wertvoll wären Programme für Führungskräfte, die sich mit der Navigation in unsicheren Zeiten beschäftigen. Ich persönlich bevorzuge Präsenzformate, weil der direkte Austausch und die Vernetzung enorm wichtig sind.

 

In vielen Unternehmen gibt es Projekte, die inhaltlich wichtig sind, aber wirtschaftlich schwer zu rechtfertigen. Wie gehst du mit solchen Entscheidungen um?
Solche Entscheidungen sind nie einfach. Wenn die Organisation unter Druck steht, liegt der Fokus stark auf Kennzahlen und Wachstum. Da spüre ich oft einen inneren Konflikt: Einerseits trage ich als Geschäftsführerin die betriebswirtschaftliche Verantwortung, andererseits gibt es Themen, die mir persönlich und inhaltlich langfristig am Herzen liegen. Ein gutes Beispiel sind Initiativen rund um „Critical Whiteness“ und  „Places of Belonging“ – wichtige Themen, die uns alle bewegen, aber eben auch ein zusätzliches Investment bedeuten. Hier wünschen wir uns auch Unterstützung durch Förderprogramme.

 

Was ist dein wichtigster Appell an andere Sozialunternehmen?

Wir sollten uns als Ökosystem verstehen, nicht als Konkurrenten. Wir sollten schauen, wie wir auch kleinere Organisationen ready machen, dass sie Budgets annehmen, verwalten oder über die Kooperation nochmal ein sehr spezifisches Angebot machen können und dadurch eher zusammenwachsen. In stürmischen Zeiten sind Zusammenhalt und Kooperation entscheidend. Wenn wir unsere Kräfte bündeln und voneinander lernen, können wir gemeinsam mehr bewirken.

 

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