Mehr als Zahlen: Ein Gespräch mit Lino Zeddies über Geld
Lino Zeddies ist Transformationsbegleiter, Gesellschaftsentwickler, Speaker und Autor, der sich mit Herzblut für eine lebenswerte Zukunft einsetzt. Uns begleitet er unter anderem auf unserem Weg zu einem neuen, gerechteren Gehaltsmodell. Im Interview mit Wir bauen Zukunft sprechen wir mit Lino über die transformative Bedeutung von Geld, die Herausforderungen und Chancen nachhaltiger Investitionen und wie jeder von uns aktiv zum Wandel beitragen kann.
Was bedeutet Geld für dich und wie hat sich dein Verständnis davon im Laufe der Zeit verändert?
Als Kind liebte ich es Kleingeld zu zählen, das mir meine Oma schenkte. Doch während meines Ökonomie-Studiums wurde Geld vor allem als abstrakte Variable behandelt – ohne Tiefgang oder gesellschaftliche Einbettung. Erst durch die private Auseinandersetzung mit Geldschöpfung, Finanzkrisen und dem Geldsystem verstand ich die großen Zusammenhänge. Ich erkannte, dass unser aktuelles Geldsystem destruktiv ist: Es erzeugt Wachstumszwang, Ungleichheit und Machtmissbrauch. Dennoch glaube ich, dass Geld als Werkzeug potenziell neutral ist. Es liegt an uns, ein lebensdienliches und regeneratives Geldsystem zu gestalten.
Wie ist dein persönliches Verhältnis zu Geld? War immer genug da?
Ich bin mit einem entspannten Umgang zu Geld aufgewachsen – es war immer in ausreichendem Maß vorhanden, ohne Überfluss oder Konflikte. Dieses Grundvertrauen hat sich bei mir gehalten. Ich zähle nicht ständig, wie viel ich besitze, und sehe Geld eher als ein Werkzeug, das ich bewusst einsetzen kann. In meiner Arbeit experimentiere ich auch viel mit kooperativen Ansätzen, zum Beispiel durch gemeinsames Wirtschaften in einer Finanzkooperative oder solidarische „Zahl, was es dir wert ist“ Preismodelle. Geld sollte verbinden und nicht ausschließen – das ist ein Prinzip, das ich in meinem persönlichen und beruflichen Umgang mit Geld zu leben versuche.
Kann Geld deiner Meinung nach gesellschaftliche oder ökologische Probleme lösen?
Absolut. Wir könnten prinzipiell ein Geldsystem erschaffen, das Kooperation, Naturverbundenheit und soziale Gerechtigkeit fördert. Wichtig ist jedoch, dass manche Gesellschaftsbereiche wie Gesundheit oder Bildung außerhalb monetärer Logik stehen sollten. Gleichzeitig können wir durch unseren Umgang mit Geld Einfluss nehmen – beispielsweise, indem wir es als kreatives Werkzeug nutzen und ihm nicht zu viel Macht über unser Leben geben. Ein kreativer und offener Umgang mit Geld kann positive Veränderungen anstoßen und damit gesellschaftlichen Wandel ermöglichen.
Was macht Investitionen nachhaltig? Gibt es Kriterien, die besonders wichtig sind?
Nachhaltigkeit beginnt damit, wo und wo nicht investiert wird. Ethische Banken wie die GLS Bank oder die UmweltBank setzen hier ein Zeichen, indem sie gezielt ökologische und soziale Projekte fördern. Gleichzeitig ist es wichtig, sich von der Wachstumslogik zu lösen – nicht jede Investition sollte auf maximale Rendite abzielen. Es geht auch darum, bewusst auf Zinsen zu verzichten, in Projekte zu investieren, die eine „soziale Dividende“ bringen oder auch mal zu spenden.
Was erlebst du, wenn sich Teams wie Wir bauen Zukunft oder Gemeinschaften auf den Weg machen, um sich achtsam und bewusst mit Geld auseinanderzusetzen?
Es ist inspirierend zu sehen, wie Gruppen durch einen bewussten Umgang mit Geld an Tiefe und Verbundenheit gewinnen können. Oft istd Geld zunächst ein schwieriges, schambehaftetes Theman. Doch wenn sich Teams öffnen und beginnen, ehrlich über Bedarfe, Gehälter oder Werte zu sprechen, entsteht ein Raum für Vertrauen und gegenseitiges Verständnis. Das schafft nicht nur Klarheit, sondern auch eine kraftvollere Basis der Zusammenarbeit. In Workshops erlebe ich immer wieder, wie Menschen durch solche Prozesse persönliche Blockaden lösen und eine größere Leichtigkeit im Umgang mit Geld entwickeln. Geld wird dann vom Hindernis, zum Werkzeug für Gemeinschaft und Wachstum.
Welche ersten Schritte können Menschen gehen, die ihr Geld nachhaltiger einsetzen möchten?
Der erste Schritt ist, überhaupt über Geld zu sprechen. Es ist ein Tabuthema, oft mit Scham behaftet – doch Transparenz und Offenheit wirken unglaublich befreiend. Ansonsten empfehle ich spielerisch alternative Umgangsweisen mit Geld spielerisch auzuprobieren, wie solidarische pay-what-feels-right Preismodelle, selbstbestimmte und transparente Gehälter oder andere Geldprozesse. Und am besten ist es natürlich, wenn das eigene Geld bei einer ethischen Bank liegt und/oder man sich an genossenschaftlichen Projekten mit Sinn beteiligt, so wie “Wir Bauen Zukunft”.
Gibt es Bücher oder Projekte, die dich besonders inspirieren?
Ja, absolut! „5000 Jahre Schulden“ von David Graeber bietet einen tiefen Einblick in die Geschichte des Geldes und seiner kulturellen Bedeutung. Auch „Ökonomie der Verbundenheit“ von Charles Eisenstein hat mich stark beeinflusst – es geht dabei viel um die Haltung und Beziehung zu Geld. Für praktische Ansätze empfehle ich solidarische Netzwerke und Methoden wie den „Geldbrunnen“, eine Form, gemeinsam über Geld zu entscheiden. Mehr dazu gibt es auch auf meinem Blog.