Wir Bauen Zukunft – als »Place of Belonging«?!

»Wir Bauen Zukunft« – Das ist Wunsch und Anspruch zugleich. Seit fast 8 Jahren forschen wir zu alternativen und gesunden Formen des Zusammenlebens, -arbeitens, -lernens und -seins. Motiviert durch die Vision unseres 10 Hektar großen Platzes voller blühender Flora und Fauna und regenerativer Ökosystheme.

 

Seit Anfang Februar haben wir ein neues Kapitel in dieser Geschichte aufgeschlagen. Eine interne Lernreise. Eigentlich schon immer, aber insbesondere in den aktuellen Zeiten fragen wir uns:

»Was müssen wir an sozialisierten Denken gemeinsam verlernen, damit wir wirklich Zukunft denken können?«


»Wie wird unsere Vision von
»Wir Bauen Zukunft« tatsächlich ein »Place of Belonging«, ein sogenannter »Safer Space« an dem sich grundsätzlich alle Menschen, die kommen sicher und gleichwürdig fühlen können?«

 

Um dieses Themenfeld genauer zu beleuchten, haben wir uns Organisationsentwicklerin Sarah Kociok als Prozess-Designerin dazugeholt, die mit ihrem Verein Viva con Agua und ihrer dortigen Rolle als Erlebnisdesignerin und Team Facilitatorin unseren Platz bereits mit spannenden Events und Aktivitäten als Partnerin erfahren und selbst bespielt hat. Und genau hier hat sich im Dialog ein spannendes, gemeinsames Forschungsfeld entwickelt.

So teilt sich unsere interne Lernreise in folgende Elemente auf:

 

1. Interne Aufschlau-Reise für das Team von Wir Bauen Zukunft, für das in verschiedenen Formaten Expert*innen eingeladen sind, die Forschungsfragen aus verschiedenen Perspektiven mit uns zu beleuchten.

2. Ausgründung eines Kompetenzteams, bestehend aus Genoss*innen und aktiven Teammitglieder*innen, welches gemeinsam mit Sarah die sechs-monatige Lernreise und die für unser System passenden Teilprozesse darin gestaltet. Zudem verantwortet jedes Mitglied des Kompetenzteams ein Artefakt (Tool, Regelwerk, Prozess), welches in der gemeinsamen Lernreise weiterentwickelt oder grundlegend designt werden soll.

Dazu zählen:

 

  • Entwicklung eines gemeinsamen Code of Conflict (auf Basis des Clear the Air-Ansatzes von dwarfs and giants). Dieser stellt die Grundlage und den Rahmen für die bestmögliche Spannungsklärung im Laufe der folgenden Lernreise dar.

 

  • Entwicklung eines konkreten Awareness-Konzeptes für eigene und besuchende Events.

 

  • Entwicklung von Awareness-Kriterien für den eigenen Community-Betrieb.

 

  • Einladende Dinner-Sessions zu konkreten inhaltlichen Fragen, die uns in der Zukunft rund um das Thema »Place of Belonging« begegnen – die federführend von einem bestimmten Gast/Gäst*in bespielt werden die einen neuen Blickwinkel mit an den Platz bringt.

 

  • Entwicklung potentieller weiterer Angebote, die wir mit spannenden Gäst*innen in Zukunft hosten.

Erste Etappe: Code of Conflict

Voller Neugier und Offenheit arbeiten 19 Menschen unseres aktiven Teams gerade an der gemeinsamen Konfliktfähigkeit sowie der internen Feedback-Haltung.

 

Dafür erarbeiten Sarah Kociok und Eva Fischer in einem 3-monatigen »Clear the Air«-Chapter mit uns die Grundlagen, um uns dann gemeinsam auf konkrete Feedbackregeln, -Räume und -Rhythmen zu committen. Diese legen wir schlussendlich in einem gemeinsamen »Code of Conflict« fest, den wir dann offiziell in unseren Code of Conduct, unsere Betriebsvereinbarung und unser tägliches Miteinander integrieren. Dies soll zur psychologischen Sicherheit und klaren Kommunikationsregeln für die weiteren Themen der Lernreise beitragen.

 

Der Kurs besteht zu gleichen Teilen aus einem Selbstlern-Online Kurs (in Buddy Groups), konzipiert von dwarfs and giants und sechs Intro- bzw. Ernte-Sessions, live moderiert von Sarah und Eva. Hier arbeiten wir neben dem Clear the Air-Ansatz ebenfalls mit Elementen des Theater im Sozialen, Systemischer Gruppendynamik und Resilienztraining – und sammeln die Erkenntnisse und Learnings auf dem Weg zum Code of Conduct ein. Das Kompetenzteam fasst diese Ergebnisse konkret formal zusammen und trägt diese in Verantwortung in das aktive Team.

Was ist Clear the Air?

Der Clear the Air Ansatz (CTA) von dwarfs and giants bietet sturmerprobte Formate, die dafür sorgen können, dass Spannungen zeitnah angesprochen und zur Zufriedenheit aller Beteiligten geklärt werden können. Vieles im Ansatz basiert auf der Arbeit des Amerikanischen Psychologen Marshall Rosenberg, passt diese jedoch für den hektischen Arbeitsalltag in Organisationen an. Wie ein gut geschreinerter Küchentisch baut CTA auf vier gut austarierten, einander unterstützenden Standbeinen auf (Definition dwarfs & giants).

1) Individuum

Die Arbeit an der eigenen Haltung und der Fähigkeit, entspannt, konstruktiv und empathisch mit Reibereien umzugehen – ohne sich dabei zu verstellen.

2) Dialog 

Niederschwellige Formate für bessere Klärungsgespräche. Gegenseitiges Verständnis, konstruktive Ehrlichkeit und Lösungen, mit denen alle Beteiligten gut leben können.

3) Team

Konkrete Formate für Feedback, Wertschätzung und empathisches Zuhören. Psychologische Sicherheit stärken. Konflikte nachhaltig lösen und wieder mehr Bewegungsfreiheit erlangen.

4) Organisation

Verankerung einer konstruktiven Konfliktkultur, die auch die Klärung von Themen ermöglicht, die alle betreffen. Ungeschriebene Gesetze anschauen und verändern.

Was haben wir uns bereits konkret erarbeitet?

 

Demütig bis herausgefordert üben wir seit sechs Wochen im Buddy-System und im regelmäßigen grossen Kreis die Haltung der konsequent positiven Unterstellung (KPU). Sie beschreibt, das alles, was Menschen tun, ein Versuch ist, sich universelle, positive Bedürfnisse zu erfüllen.

 

Wir lernen, welche universellen, positiven Bedürfnisse es gibt und echte Gefühle von Pseudo-Gefühlen zu unterscheiden.

 

Wir lernen uns selbst und unsere Strategien besser kennen und auch uns mental von den Strategien anderer zu entkoppeln, d.h. nicht zwingend mit ihnen einverstanden zu sein und dennoch das positive Bedürfnis dahinter zu sehen, uns damit zu verbinden und dadurch zu mehr Verständnis, eleganteren Lösungen und wirksmameren Strategien zu gelangen.

 

Wir vertiefen unsere Fähigkeit der Selbst- und Fremdempathie, durch aktives Zuhören Plus und untersuchen, was es braucht, um in uns, unseren Teams und unserem System die psychologische Sicherheit zu stärken. Wir lernen den Unterschied zwischen statischer und lebendiger Harmonie und Abwertungs- in Konstruktiv-Spiralen zu verwandeln.

Es macht so viel Spass. Vor allem, weil wir diesen Weg kollektiv gehen, uns dabei synchronisieren, uns gegenseitig mitnehmen und unterstützen.

Nach jeder Lektion des CTA-Online-Kurses treffen wir uns mit Sarah und Eva zu den sogenannten Ernte-Sessions und sammeln unsere Learnings ein und reichern sie mit Übungen und Reflexions-Formaten an. Hier leiten wir wichtige Erkenntnisse für den Code of Conduct und Code of Conflict ab und beziehen die Inhalte konkret auf unsere Organisation. Als lebendiger Prozess, genährt durch den Weg, den wir einzeln und gemeinsam bereits gegangen sind und dem, den wir gerade gehen.

Die zweite Etappe

…startet im Mai mit einem weiteren Format, namens FOOD 4 THOUGHT – der Dinner-Reihe für anregende Gedankenanstöße. Hier nehmen wir das an den Tisch holen wörtlich: Bis Oktober 2024 laden wir uns regelmäßig inspirierende Persönlichkeiten ein, um aus verschiedenen Blickwinkeln gemeinsam in die Zukunft zu denken. Immer mit einer konkreten Perspektiv-Frage pro Abend, um die Nummer verdaulich zu halten. Dafür schaffen wir den entsprechenden kulinarischen Rahmen: Food for thought sozusagen.

 

Den Auftakt macht Dana Reina Téllez, experimentelle Künstler*in, Sexological Bodyworker*in und Facilitator*in  zu den Themen Dekolonialität, Migration, Körperlichkeit und Storytelling. Gemeinsam mit Dana wagen wir eine kulinarisch-gedankliche Explorationsreise zum Kern der Frage:

»Wie gelingt ein Zukunftsrarum im Spannungsfeld zwischen kultureller Anerkennung und kultureller Aneignung?«

In drei Stunden und verschiedenen Gedanken-Gängen erkunden wir:

»Wie erleben wir Herkunft und Vergangenheit mit auf dem Teller?«

 

»Welche Gerichte laden welche Vorfahr*innen mit ein an den Tisch?«

 

»Und wie können wir leise und langsam genug essen, um den Gedichten und Geschichten hinter dem kollektiven Kauen achtsam zu lauschen?«


 

»Oder in unserem Kontext: Ist die Kakao-Zeremonie auf dem Sonnendeck eigentlich ein Ritual der kulturellen Wertschätzung oder im Rahmen von Wir Bauen Zukunft eher eine schwierige Angelegenheit?«

 

 

Wir sind gespannt auf die gemeinsame Dekonstruktion und freuen uns schon jetzt wie Bolle auf die inspirierenden Expert*innen, die uns im Rahmen der Reise begegnen und zur Weiterentwicklung als zukunftsorientierter Ort herausfordern.

 

Lange haben wir darüber nachgedacht und uns entschieden, ein paar Erfahrungen auf dieser Lernreise zu teilen: Unfertig, unvollkommen und vermutlich am Ende der Reise bereits überholt. Gleichzeitig entscheiden wir uns für Neugierde, Offenheit und Entwicklungsbereitschaft und wollen, dass möglichst viele von den Inputs die wir bekommen, zumindest im Ansatz mit profitieren. Auch im Austausch mit anderen Zukunftsorten und Organisationen stellen wir fest, dass es oft ähnliche Haltungsfragen und operative Herausforderungen gibt, die uns aktuell umtreiben, trotz unterschiedlicher Projekt- und Lebensrealitäten. Dabei gibt es so viele kompetente Leute, die sich tagtäglich in ihrer Arbeit mit Teilfragen unserer Reise beschäftigen und bei fairem Ressourcenausgleich bereit sind, die passenden kontext-kompatiblen Antworten zu finden.

 

Wer uns da konkret in den kommenden Wochen inspiriert und welche Kapitel der Lernreise wir aufschlagen, berichten wir in unseren Social Media Kanälen. Vielleicht habt ihr ja Lust ein wenig mitzureisen, euch aus unseren Learnings etwas mitzunehmen oder sie gleich noch mal anders anzugehen, sollte eine ähnliche Reise bei euch ebenfalls anstehen.